Vortrag Emmetropisierung
Ein Vortrag von Prof. Dr. Hakan Kaymak auf der DOG 2024 zu der Frage: „Wie bewerten wir einen Therapieerfolg: anhand der Refraktion oder der Augenlänge?“
Um diese Frage zu beantworten ist zu klären, was der ideale Refraktionszustand ist, d.h. wie wird Normalsichtigkeit (Emmetropie) definiert und wie entsteht sie? Den Prozess, der zu dem idealen Refraktionszustand des Auges führt, bezeichnet man als Emmetropisierung.
Welche Erkenntnisse sich daraus für die Entwicklung der Myopie und für das Myopiemanagement ableiten lassen und welche Aufgaben den Augenärzten zukommen, erfahren Sie in diesem Vortrag.
Frühe Erkenntnisse zur Entstehung von Emmetropie und Myopie
Prof. Kaymak skizziert zunächst, woher der Begriff „Emmetropie“ kommt und welche Erkenntnisse in der Geschichte der Ophthalmologie zur Emmetropisierung vorliegen.
Der medizinische Fachbegriff für Normalsichtigkeit ist Emmetropie. Er setzt sich zusammen aus den griechischen Wörtern "emmetros" (ἔμμετρος), was „im richtigen Maß“ oder „maßgerecht“ bedeutet, und "ops" (ὤψ), was „Auge“ oder „Sehen“ bedeutet.
Das emmetropische Auge ist ein Auge, dessen Hauptbrennpunkt auf der Netzhaut liegt, ohne dass sich die Linse des Auges kugelig formt (sie „akkommodiert“), um die Brechkraft des Auges zu erhöhen. Von unendlich entfernten Gegenständen, die parallele Strahlen aussenden, empfängt seine Netzhaut daher scharfe Bilder, die sich weder durch Konvex- noch durch Konkavgläser verbessern lassen. Mithilfe der Akkommodation sieht es ebenso scharf in verhältnismäßig geringer Entfernung.
Schon 1889 gelangte F. C. Donders zur der Erkenntnis, dass das normalsichtige (emmetrope) Auge hinschtlich seiner Funktion und seines Baus die Norm darstelle, anhand derer Refraktionsfehler zu beurteilen seien. 1
In welchem Alter erreichen Kinder Emmetropie?
Die meisten Kinder erreichen Emmetropie mit ca. 10 oder 11 Jahren. Damit ist der Prozess jedoch noch nicht abgeschlossen. In den folgenden Jahren geht es darum, die Emmetropie zu halten, denn Myopie kann auch noch auftreten, wenn das Auge Emmetropie erreicht hat. Das ist genau das Alter, in dem die sogenannte Schulmyopie auftritt.
Diese Erkenntnis wurde später bestätigt: Das phyiologische Augenwachstum des emmetropen Auges zwischen 5 und 15 Jahren unterscheidet sich klar von einem exzessiven Augenlängenwachstum, das zur Myopie führt. Es ist bereits ein verstärktes Längenwachstum nachweisbar bevor sich ein Sehfehler bemerkbar macht. 4
Nur die Messung der Achsenlänge kann beginnende Myopie sicher diagnostizieren.
Prof. Dr. Hakan Kaymak
Zur Definition von Emmetropie in Bezug auf ethnische Unterschiede
Zur Definition von Emmetropie gibt es insgesamt 28 Studien, die ostasiatische Augen und nicht-ostasiatische Augen untersucht haben. Ein Vergleich der Ergebnisse zeigte zunächst, dass asiatische Augen länger sind als die nicht-ostasiatischen. Schaut man jedoch genauer hin, so unterscheiden sich Definitionen von Emmetropie. Legt man stattdessen für beide denselben Wert zugrunde, d.h. nach Kontrolle der Refraktion und gleicher Definition von Emmetropie (‡ 0.5D) liegen die Kurven praktisch übereinander und die asiatischen Augen sind nur minimal länger, nämlich genau 0,02 mm.
Es gibt also nur noch eine Kurve für das universelle Wachstumsmuster. Das bedeutet: Wir brauchen die Augenlängen-Wachstumsrate von Kindern in ihrem jeweiligen Alter und können dann basierend darauf unser Therapieziel definieren.
Prof. Dr. Hakan Kaymak