
Forschung Prof. Dr. Hakan Kaymak wurde auf die neu geschaffene Gottfried O.H. Naumann-Stiftungsprofessur für Epidemiologie und Prävention der Myopie an die Universität des Saarlandes berufen
Weltweit nimmt die Kurzsichtigkeit (Myopie) zu, insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Effektive Präventionsmaßnahmen zu entwickeln und gefährdete Kinder früher erkennen und behandeln zu können, sind die Ziele von Prof. Dr. Hakan Kaymak. Im Mai 2024 wurde der Augenspezialist auf die neu geschaffene Gottfried O.H. Naumann-Stiftungsprofessur für Epidemiologie und Prävention der Myopie an die Universität des Saarlandes berufen.

Prof. Dr. Hakan Kaymak leitet damit das erste Studienzentrum in Deutschland, das Deutsche Myopie-Institut (DMI), das sich schwerpunktmäßig mit der Prävention und Therapie der Myopie bei Kindern und jungen Erwachsenen beschäftigt. Dabei nutzt er einen neuen Ansatz zur Bewertung der Risiken und zur Messung des Therapieerfolges: die Messung des physiologischen Längenwachstums des Auges.
Unser Ziel ist es, die Myopie bei Kindern und Jugendlichen zu bekämpfen.
Prof. Dr. Hakan Kaymak
Im Rahmen seiner Forschungen kooperiert er mit Prof. Dr. Berthold Seitz, dem Direktor der Augenklinik und Prof. Dr. Achim Langenbucher, dem Leiter des Instituts für Experimentelle Ophthalmologie in Homburg/Saar sowie mit Prof. Dr. Frank Schaeffel, dem Leiter der Sektion für Neurobiologie des Auges an der Universität Tübingen. Als Mitglied des Internationalen Myopie Instituts (IMI) arbeitet er zudem mit Forschern auf internationaler Ebene zusammen.
Myopie – ein globales Problem
Kurzsichtigkeit (Myopie) nimmt weltweit zu: Lt. der Gutenberg-Gesundheitsstudie der Universität Mainz sind 35 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland kurzsichtig. Unter den Hochschulabsolventen verzeichneten die Forscher 53 Prozent.1 Das Brien Holden Vision Institute prognostizierte bereits 2016, dass 2050 rund 50 Prozent der Weltbevölkerung kurzsichtig sein wird, wenn keine Maßnahmen dagegen ergriffen werden.2
Am weitesten verbreitet ist die axiale Myopie, bei der der Augapfel übermäßig in die Länge wächst, wodurch sich die Strukturen des hinteren Augenpols dehnen. Bei höheren Werten steigt damit das Risiko für Augenerkrankungen, die die Sehkraft bedrohen, wie z.B., Netzhautlöcher und Netzhautablösungen, einen grauen Star oder grünen Star. Je mehr Menschen von hoher Myopie betroffen sind, desto gravierender sind auch die gesellschaftlichen Folgen.
Die Mechanismen, die zur Entwicklung der Myopie führen, sind noch nicht vollständig erforscht, es sind aber inzwischen wichtige Risikofaktoren bekannt. Dazu gehören neben genetischen Faktoren auch geänderte Sehgewohnheiten.
Diese Sehgewohnheiten fördern die Myopie
häufige und ausdauernde Tätigkeiten im Nahbereich, z.B. Lesen oder die Beschäftigung mit elektronischen Geräten (Smartphones, Tablets etc.)
zu wenig Aufenthalt im Freien bei Tageslicht
Paradigmenwechsel in der Myopiekontrolle
Sowohl bei der Bewertung von Risiken als auch bei der Messung des Therapieerfolges wurde bisher ausschließlich die Refraktion herangezogen. Das ist die Brechkraft des Auges, die bei der Messung der Sehschärfe ermittelt wird.
In seinem Konzept der altersangepassten Myopiekontrolle verwendet Prof. Kaymak hingegen das physiologische Augenlängenwachstum als Maßstab und hat damit einen Paradigmenwechsel in der Myopiekontrolle eingeleitet.
Basierend auf diesem Konzept wurde eine Software für Augenärzte entwickelt, mit der individuelle Messwerte direkt in ein Risikoprofil überführt werden können: normales Wachstum, moderat verstärktes Wachstum und stark verstärktes Wachstum.
Wie bei der Beurteilung des Körperwachstums in der Pädiatrie wird das axiale Wachstum des Auges anhand von Perzentilen beurteilt, was es uns erlaubt, die ermittelten Werte in Bezug zu den Werten der Altersgenossen zu setzen.
Prof. Dr. Hakan Kaymak
Eine Zielsetzung der Stiftungsprofessur ist es, vor allem hohe Myopie durch effektive Präventionsmaßnahmen im Kindesalter zu vermeiden. Dafür sollen Schulreihenuntersuchungen bzw. ein Kinderscreening entwickelt und durchgeführt werden, um gefährdete Kinder früher erkennen und behandeln zu können.
Im Rahmen seiner Stiftungsprofessur will Prof. Hakan Kaymak weiter erforschen, welche Biometriegeräte sich für die Myopiekontrolle bei Kindern besonders eignen. Zudem ist die Entwicklung KI-basierter Modelle geplant, um Prognosen zum individuellen Verlauf der Myopie abgeben zu können.
Eine andere bislang kaum erforschte Frage ist, inwieweit sich Myopie bereits im Kindesalter auf die Makulastrukturen auswirkt. Dazu soll eine nichtinvasive Untersuchung neue Erkenntnisse liefern.
Erforschung und Vergleich von Myopietherapien
Darüber hinaus sollen Myopietherapien erforscht und verglichen werden. Eine davon ist die Behandlung mit Atropin-Augentropfen. Im Rahmen einer Dosisfindungsstudie ermittelt das Institut die effektivste Dosierung. Weitere pharmakologische Untersuchungen sind vorgesehen, darunter auch innovative Optionen wie z.B. Kontaktlinsen als Medikamententräger.
Zu den verfügbaren Therapien bei Kindern zählen außerdem unterschiedliche myopiehemmende Brillengläser und Kontaktlinsen sowie Ortho-K-Linsen, die die Hornhaut während des Schlafens modellieren und so die Fehlsichtigkeit ausgleichen sollen. Sie sollen auf ihre Wirksamkeit, Verträglichkeit und auf ihre Sicherheit hin unter die Lupe genommen werden.
Wie wirken sich refraktive Korrekturverfahren auf die Myopie aus?
Nach aktuellen Erkenntnissen schreitet das Augenlängenwachstum bei hoher Myopie auch im Erwachsenenalter weiter fort. Deshalb soll untersucht werden, wie sich die verschiedenen refraktiven Korrekturverfahren darauf auswirken. Außerdem ist geplant, vor diesem Hintergrund neue Korrekturverfahren in Zusammenarbeit mit der Universität Marburg zu entwickeln.
Über die Stiftungsprofessur
Die Stiftungsprofessur wurde zu Ehren von Prof. Dr. Gottfried O.H. Naumann nach diesem benannt. Als „Clinical Scientist“ verband er die Grundlagenforschung mit der klinischen Augenheilkunde. Er hat die Forschung vorangetrieben und sich dem Kampf gegen die Blindheit verschrieben. Dabei war seine Perspektive immer international ausgerichtet. Er dient deshalb als Vorbild im Kampf gegen die Myopie, die sich zu einem globalen Problem entwickelt hat und die Sehkraft von Milliarden Menschen bedrohen kann.